POLARLICHTER, FOLGE 1

Wie Polarlichter entstehen

Das hier ist der erste Artikel einer zweiteiligen Serie über Polarlichter. Ich empfehle, zunächst diesen Artikel zu lesen, bevor sie zum Folgeartikel springen.


WIE SIE ENTSTEHEN

Polarlichter und Tomatensoße

Wie entstehen Polarlichter? Alles beginnt mit der Sonne – dem Ofen, der unser Sonnensystem mit Licht, Wärme, Energie versorgt. In der Sonne brodelt es wie in einem Kochtopf. Jedoch nicht angefeuert von einem Gas- oder Induktionsherd, sondern von der Verschmelzung von Atomen zu „neuen", schwereren Elementen.

Wenn ein Kochtopf mit Tomatensoße brodelt, geht natürlich auch schnell mal was daneben. Angetrieben von einer im Topf aufsteigenden Dampfblase werden ein paar Milliliter Soße vom Kochfeld in Richtung unseres weißen Hemds geschleudert. Wenn wir die fliegenden Tomatenpartikel früh genug sehen, könnten wir noch ausweichen. Aber zumeist bleibt uns nichts anderes übrig, als uns in Schadensbegrenzung zu üben und den Fleck so gut es geht vorzubehandeln, bevor unser Hemd nach dem Mittagessen in der Wäsche landet.

Auch den Sonneneruptionen können wir schwer (eigentlich gar nicht) ausweichen. Zum Glück hinterlassen sie keine roten Flecken auf unserer Atmosphäre, sondern nur einen grünlichen Schimmer. Leider wäscht sich dieser weitaus schneller wieder aus, als uns lieb ist.

Polarlichter und die Rolle eines bestimmten Windes

In unserer heimischen Küche steigt über unserem Kochtopf stetig Wasserdampf in die Höhe. So wie die brodelnde Tomatensoße gasförmige Wassermoleküle emittiert (absondert), so emittiert die brodelnde Sonne stetig ein Plasma in buchstäblich alle Himmelsrichtungen. Sie ist ein Ball, der in alle Richtungen des dreidimensionalen Raums einen nicht endenden Strom kleiner Teilchen schleudert. Das ist der sogenannte Sonnenwind.

So wie unsere Küche gefüllt sein mag mit dem aus dem Kochtopf entweichenden Dampf, so ist unser Sonnensystem gefüllt mit dem Sonnenwind, der von der Sonne ausgehend in jeden entlegenen Winkel unseres Sonnensystems bläst. Dieser vom Sonnenwind geprägte Bereich wird Heliosphäre genannt.

Nur weil unsere Küche vom Dampf der Tomatensoße geprägt sein mag, gilt das allerdings nicht unbedingt für unsere ganze Wohnung. Irgendwann lässt der Einfluss des Küchendampfs nach und andere Faktoren wie der Kellermuff oder die Duftkerze im Wohnzimmer gewinnen die Oberhand. In ähnlicher Weise wird auch der Sonnenwind nach vielen Millionen Kilometern immer schwächer und das uns umgebende interstellare Medium gewinnt die Oberhand.

Sowohl Sonnenwind als auch interstellares Medium bestehen im Großen und Ganzen aus Vakuum – also aus nichts. Aber es gibt eben doch ein paar Atömchen pro Kubikmeter Vakuum. Auch das lässt sich mit unserer Wohnung veranschaulichen. Alle Räume sind mit Luft gefüllt. Und trotzdem ist das Vorhandensein von Wasserdampf in der Küche, von klammer Feuchtigkeit im Keller und von Räucheraromen im Wohnzimmer spürbar, obwohl es sich um verhältnismäßig wenige Teilchen pro Kubikmeter Atemluft handelt.

Dort wo der gerichtete Flug der Teilchen des Sonnenwinds von den Teilchen des interstellaren Mediums gestoppt wird, endet der Einfluss unserer Sonne sozusagen. Diese Grenzregion wird Heliopause genannt. Je nach Definition endet dort draußen unser Sonnensystem. Dort befindet sich das Ortsausgangschild unseres Sonnensystems mit der durchgestrichenen Ortsbezeichnung. Doch bis zum Ortseingangsschild (nicht Ausgang, sondern Eingang) des nächsten Sonnensystems vergehen noch viele, viele Abermilliarden Kilometer.

Polarlichter und die Rolle bestimmter Auswürfe

Irgendwie haben wir jetzt das Thema Polarlichter aus den Augen verloren. Entschuldigung! Richten wir unseren Blick weg vom Ortsausgangschild unseres Sonnensystems und gehen wir wieder in die Küche an den Kochtopf.

Die Tomatensoße brodelt und so unablässig wie unspektakulär steigen kleine Bläschen auf und Wasserdampf entweicht. Spannend wird es, wenn sich durch Zufälle eine besonders große Dampfblase bildet und heiße Soßenspritzer hochgeschleudert werden.

Koronale Massenauswürfe, auch Sonneruptionen oder Protuberanzen genannt, sind solche unvorhergesehenen Spritzer. Koronal bedeutet sozusagen „aus der Sonnenatmosphäre stammend" (vom lateinischen Wort für Krone oder Lichtkranz; übertragen auf die äußere Atmosphäre der Sonne, die während einer Sonnenfinsternis als Lichtkranz erscheint). Masse bezieht sich darauf, dass Materie ausgestoßen wird (Atome, Teilchen) und nicht nur Strahlung (Sonnenlicht, UV-Strahlung oder Radiowellen). Und der Begriff Auswurf ist selbsterklärend. Ein koronaler Massenauswurf ist also ein besonders intensiver Sonnenwind, sozusagen eine Böe.

Wie die Soße in alle Richtungen spritzt, so passieren die Masseauswürfe auch über die ganze Sonnenoberfläche verteilt und schleudern Teilchen mal in diese und mal in jene Richtung des Sonnensystems.

Meistens haben wir auf der Erde Glück (oder Unglück, wenn man sich Nordlichter wünscht) und werden von diesen besonders dichten Sonnenmateriewölkchen nicht getroffen. Unsere Erde hat in Relation zum Kochtopf namens Sonne nämlich nur die Größe eines Stecknadelkopfes.

Aber wenn wir getroffen werden, dann haben wir eine Schürze um, die uns vor den negativen Auswirkungen der heißen Soße auf unserer Haut schützt: das Magnetfeld der Erde.

Polarlichter und die Rolle eines bestimmten Magnets

Die Magnetosphäre fängt sowohl den normalen Sonnenwind als auch die stärkeren Stürme ein und schirmt uns ab. Eine echte Schürze muss nach der Benutzung von ihrem Träger gewaschen werden, um Flecken zu entfernen. Im Magnetfeld der Erde bleibt der Sonnenwind allerdings nicht einfach an der Aufprallstelle kleben, sondern er wird abtransportiert und zu den magnetischen Polen hin abgeleitet.

Deshalb ist der Vergleich mit einer Schürze vielleicht schlecht gewählt. Stellen wir uns das Magnetfeld lieber wie die Dunstabzugshaube vor, die den Dampf in ihre Richtung zieht. So transportiert auch das Magnetfeld den Sonnenwind, der eigentlich über Deutschland, Österreich, Kenia oder Sri Lanka auf die Erdatmosphäre treffen würde, in Richtung des nächstgelegenen Pols, also zum Nord- oder Südpol.

Erst dort, in der Nähe des magnetischen Pols, kommen die von der Sonne energetisierten Teilchen in Berührung mit den oberen Atmosphärenschichten unseres Planeten. Der Aufprall der Teilchen auf die Gasmoleküle in unserer Atmosphäre regt diese zum Leuchten an – so wie das Gas in einer Leuchtstoffröhre durch Strom zum Leuchten gebracht wird.

Das sind also die Polarlichter: Atome unserer Atmosphäre, die von den Teilchen des Sonnenwinds zum Leuchten angeregt werden.

Dafür mitverantwortlich ist das Erdmagnetfeld – die Dunstabzugshaube, die den Wind in Richtung Nord- oder Südpol lenkt.


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